EURO am Sonntag: INTERVIEW DER WOCHE mit Rolf Kieckebusch
Wie kann man mit ruhiger Hand und cleverer Aktienauswahl trotz stark schwankender Märkte Gewinne erzielen? Dazu sprachen wir mit Rolf Kieckebusch, Chef der Kasselaner Kirix Vermögensverwaltung.
„Wir haben keinen Home Bias mehr“
FONDSXPRESS: Herr Kieckebusch, Sie sind mit ihren Fonds sehr gut durch die schwierigen Märkte der vergangenen Monate gekommen. Wie lautet das Erfolgskonzept?
ROLF KIECKEBUSCH: Man muss da zwischen unseren beiden Fondsfamilien unterscheiden. Zum einen haben wir die vermögensverwaltenden KIRIX-Fonds und zum anderen die ENRAK-Fonds, die reine Long-only-Produkte sind. Bei den KIRIX-Fonds hat die Absicherung gut geklappt und wir konnten den Drawdown beschränken, haben aber einen Teil der Erholung verpasst. Bei den ENRAK-Fonds hat uns die konsequente Ausrichtung auf zukunftsträchtige Branchen geholfen.
Konnten Sie die Rally der vergangenen Wochen auch mitnehmen? Das Problem bei so rasanten Bewegungen ist immer das Timing. Dafür hat dauerhaft noch niemand eine Lösung gefunden. Verkaufen geht ganz fix. Das Einsteigen ist dagegen immer schwierig. Da schaut man ganz schnell hinterher. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch die meisten anderen Anleger. Wir beobachten dies auch bei großen institutionellen Anlegern, die immer noch an der Seitenlinie stehen und die wahrscheinlich auch die zweite Chance verstreichen lassen, falls diese überhaupt kommt.
Sie erwarten kurzfristig steigende Kurse? Es wird wohl nicht unbedingt zu einer V-Erholung kommen, sondern eher zu einer W-Bewegung. In den Erholungsphasen wird es immer wieder zu Korrekturen kommen. Allerdings glauben wir nicht, dass beim DAX noch einmal die 8000-Punkte- Marke ins Visier genommen wird, außer es gibt einen weiteren totalen Lockdown. Eigentlich sieht man schon die Wirtschaft auf dem Pfad der Besserung und das ist eingepreist.
Macht Ihnen etwa die hohe US-Arbeitslosenquote von 15 Prozent keine Sorge? Als Volkswirt schaue ich mir solche Entwicklungen schon sorgenvoll an. Aber wir investieren vornehmlich in Geschäftsmodelle, die vor, mit und nach Corona funktionieren. Daher spielt für uns die Indexentwicklung eine untergeordnete Rolle. Der Markt ist in der Breite nur sehr kurzfristig unter die Räder gekommen. Und als sich der erste Rauch verzogen hatte, schaute man sich an, welche Geschäftsmodelle auch weiterhin funktionieren. Diese Aktien haben sich auch wieder erholt. Wenn man etwa Amazon betrachtet, notiert die Aktie heute höher als vor der Krise. Und anstatt Entlassungen werden neue Arbeitsplätze geschaffen.
Haben Sie auch auf die Covid-19-Pandemie reagiert und das Portfolio angepasst? Nein, das mussten wir nicht. Wir haben schon vor rund zwei Jahren die Portfolios nahezu ohne Industrietitel und zyklische Konsumwerte konzipiert — ohne natürlich die Krise vorhergesehen zu haben. Es sind ausschließlich Titel in Fonds wie dem ENRAK High Dynamic global, von denen wir überzeugt sind, dass diese auch in den kommenden Jahren funktionieren und stetig steigende Erträge bringen. Die haben wir nicht mit der Glaskugel oder einem tollen Algorithmus gefunden, sondern mit klassischem Fundamentalresearch. Wir machen also nichts, was andere nicht auch könnten.
Dann haben Sie mehr oder weniger ein Buyand- Hold-Portfolio? Ja, genau. Unser Portfolio-Umschlag bewegt sich in den ENRAK-Fonds zwischen zehn und 20 Prozent. In den KIRIX-Fonds ist sie höher, da wir dort andere Ziele wie permanent hohe Ausschüttungen verfolgen. Wir verkaufen eine Aktie nur, wenn wir denken, dass das Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Aber wie in allen Bereichen ist das Bessere der Feind des Guten. Daher tauschen wir innerhalb der Branchen in aussichtsreichere Titel. So haben wir zum Beispiel vor einiger Zeit American Express durch Visa ersetzt, da wir von Mobile Payment überzeugt sind.
Machen ihnen die sinkenden Gewinne und ausbleibenden Dividenden keine Sorgen? Der Markt bepreist die Zukunftsaussichten derzeit sehr unterschiedlich. Es gibt Branchen wie die klassischen Industrieaktien, Reise/Touristik oder auch Autos, deren strukturelle Probleme durch die Pandemie massiv zutage treten. Dort wird es wohl noch sehr lange dauern, bis sie sich erholen. Auf der anderen Seite gibt es Branchen wie etwa den Wohnimmobiliensektor mit Werten wie Vonovia, die überschaubare Probleme haben, keine Staatshilfen benötigen und daher ihre Gewinne ausschütten dürfen. Aber auch die Versicherer und die Chemie-Industrie haben die avisierten Dividenden gezahlt.
Haben sie sich ihre Portfolios in den vergangenen Jahren regional verändert? Eindeutig. Während wir vor einigen Jahren noch mit etwa 60 bis 70 Prozent Deutschland und Europa den klassischen Home Bias hatten, ist dies aktuell umgekehrt. Wir haben 60 bis 70 Prozent US-Titel. Dort gibt es einfach attraktivere Geschäftsmodelle.
Wird die Welt nach der Corona-Krise tatsächlich anders aussehen? Es wird sich einiges ändern. Man denkt zwar möglicherweise, dass nun kein Geld für erneuerbare Energien, ESG oder Klimaneutralität vorhanden wäre. Aber wahrscheinlich setzt sich eher die Erkenntnis durch, dass es „auf die paar Milliarden“ auch nicht mehr ankommt und Zukunftstechnologien gefördert werden. Man sieht ja jetzt schon, dass die Regierung eine Kfz-Kaufprämie eher als Lenkungselement in Richtung E-Mobilität einsetzen wird, denn in industrielle Auslaufmodelle zur reinen Arbeitsplatzsicherung. Für uns ist ESG bei der Aktienauswahl ein wichtiger Faktor. Es gibt da leider noch keine einheitliche Taxonomie. Wir gehen die Sache daher mit gesundem Menschenverstand an. So gehört etwa der ENRAK High Dynamic global bei Morningstar zu den ein Prozent der nachhaltigsten Fonds, ohne dass dies unser erklärtes Ziel war. jk