Vermögensverwalter haben in diesen Wochen noch mehr zu tun als üblich. Vier der besten Vermögensverwalter im Land kamen zum €uro-am-Sonntag-Round-Table im Haus des Finanzen Verlags in München und standen Moderator und Geschäftsführer Frank-B. Werner Rede und Antwort.
Vor einem Jahr startete €uro am Sonntag das Projekt „VermögensverwalterEXTRA“. Zwölf führende unabhängige Vermögensverwalter wurden begleitet, um ihre Leistungen und Fonds für potenzielle Anleger transparent und greifbar zu machen. Das Projekt geht weiter. Doch jetzt ist Zeit für eine Zwischenbilanz. Die Porträts und Produkte der Teilnehmer finden Sie online auf www.boerse-online.de, Bereich „Vermögen“.
Vermögensverwalter haben in diesen Wochen noch mehr zu tun als üblich. In Zeiten der Corona-Krise stellen Anleger viele Fragen, die ihnen sonst niemand beantworten kann. Vier der besten Vermögensverwalter im Land kamen trotz erschwerter Anreise zum €uro-am-Sonntag-Round-Table im Haus des Finanzen Verlags in der Münchner Bayerstraße. Dort empfing sie Moderator und Geschäftsführer Frank-B. Werner.
Werner: Gehen wir von der Hypothese aus, dass der Corona-Schock in drei Monaten einigermaßen überwunden ist. Wird das an den Börsen dann ein V oder ein U oder …
Kieckebusch: Die Erholung wird ein gezacktes U werden. Wir rechnen erst mittelfristig, also nicht vor dem dritten Quartal, mit einem allmählichen Wiederanstieg der Kurse. Bis dahin erleben wir noch eine Zeitlang Kurseinbrüche.
Garske: Derzeit sieht es so aus, dass der Lockdown noch mindestens bis in den Mai reicht. Sobald der Peak der Erkrankungen durch das Coronavirus überschritten ist, besteht die Chance auf eine Supererholung. Die Aktien haben eine vernünftige Bewertung, die Zinsen sind niedrig, es wird umfangreiche staatliche Konjunkturhilfen geben: Daraus könnte eine Mega-Börsenrally werden.
Walter: Das ist mir zu optimistisch. Es wird in diesem Jahr weder ein V noch ein U geben. Positiv sehen wir, dass die vielen Zombieunternehmen, die kaum liquide sind, vom Markt verschwinden dürften. Andererseits könnte es bedrohlich werden, wenn eine größere Bank oder eine große Versicherung gerettet werden müsste oder vom Markt verschwinden sollte.
Hinkel: Das wahrscheinlichste Szenario ist ein W, wobei der dritte Schenkel des W nicht mehr so tief hinunterreichen wird wie die erste Korrektur. Nach ersten Signalen der Beherrschbarkeit des Virus dürfte eine starke Erholung eintreten.
Werner: Hat die Talfahrt an den Börsen nur mit Corona zu tun?
Hartmann: Nein, nicht nur. Im Januar gingen noch alle davon aus, 2020 werde ein sehr positives Börsenjahr. Im Nachhinein stellt sich nun heraus, dass viele den Aktienmarkt für stark überbewertet halten.
Werner: Sind Aktien für Anleger, die auf regelmäßige Dividendeneinnahmen zielen, im Moment das Richtige?
Wallrich: Angesichts der Crashkurse sollten Aktien sogar übergewichtet werden. Anleger, die in Aktien investiert sind und herbe Verluste verzeichnen, sollten die günstigen Kurse zum Rebalancing nutzen. Im Idealfall gehen sie dabei in Technologiewerte, Stichwort: Digitalisierung.
Hartmann: Digitalisierungstitel, absolut. Aktien bleiben schon aus Gründen der Risikostreuung ein Muss. Auch Dividendentitel. Basiskonsumgüter brauchen wir weiterhin, ebenso Infrastruktur.
Garske: Insbesondere jüngere Menschen mit entsprechend langem Zeithorizont sollten das derzeit niedrige Einstiegsniveau nutzen.
Werner: Verzeichnen Sie hohe Rückflüsse Ihrer Kunden, oder sind die Leute cool und bleiben investiert?
Hinkel: Da wir durch die Beimischung von nicht korrelierenden Assetklassen recht ordentlich durch die Kapitalmarktverwerfungen gekommen sind, sind unsere Kunden positiv überrascht. Allerdings gibt es hinsichtlich Aktien eine große Zurückhaltung. Wer jetzt schon kaufen möchte, wäre gut beraten, ausgeprägtes Stockpicking zu betreiben − vor allem in Branchen, die nicht so sehr von Corona infiziert sind.
Walter: Wir verzeichnen deutlich mehr Nettozu- als -abflüsse. Das ist auch mit Blick auf die Börsenhistorie ganz sinnvoll, denn die Basis für exzellente Renditen wurde stets in Krisenzeiten gelegt. Diese Nerven müssen Anleger haben, sonst sind Aktien nicht das Richtige für sie.
Werner: Sind Hochzinsanleihen eine Anlageklasse, auf die Investoren verstärkt setzen sollten?
Hinkel: Auf jeden Fall. Rein in den bonitätsmäßig starken Mittelstand. Ein Vierer- oder Fünferkupon ist allemal besser als keine Zinsen.
Garske: High-Yield-Anleihen sollten Anleger im Moment höchstens anfassen, wenn sie das in einem Korb mit verschiedenen Anleihen dieses Typs tun, also besser einen entsprechenden Fonds wählen. Dann schlägt eine mögliche Einzelpleite nicht so durch.
Werner: Vor Corona gab es kaum eine Konferenz ohne das Stichwort Nachhaltigkeit, also ESG (= Environment, Social und Governance). Im Moment ist dieses Thema allerdings völlig im Hintergrund. Kommt das wieder?
Hartmann: In sechs Monaten reden wir hoffentlich kaum noch über das Coronavirus. Dann rückt der Klimawandel wieder in den Vordergrund und damit die Frage, wie wir Ökologie und unseren Lifestyle in Einklang bringen können. Da spielen erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle.
Kieckebusch: Vor allem das Thema Ökologie, also das E bei ESG, wird weiter an Bedeutung gewinnen. Etwa bei der Kreditvergabe. Da fragen die Banken, ob die Umweltrisiken einer Firma eingepreist sind. Und Anleger interessieren sich vermehrt für den Nachhaltigkeitsindex DAX 50-ESG.
Werner: Wir kennen die These, aktives Management bewährt sich in der Krise. Können Sie das in diesen Wochen bestätigen?
Huber: Gerade jetzt schlägt die Stunde der aktiven Manager und ihrer Fonds. Während der passive ETF die Talfahrt komplett mitmacht, kann der aktive Manager die Investitionsquoten im Fonds so verändern, dass die „Schmerzen“ der Anleger nicht allzu heftig ausfallen.
Hinkel: Wir haben die Gewichtung in unserem Fonds Value Aktiv Plus auf jeweils 50 Prozent in deutschen Aktien und Anleihen umgestellt. Bei den Anleihen investieren wir verstärkt in Immobilienunternehmen. Da können wir mit einem Fünf-Prozent-Kupon nicht viel falsch machen. Wir sichern das Portfolio phasenweise neben einer derzeit erhöhten Cashquote durch aktives Risikomanagement über Futures und Optionen ab.
Hartmann: Wir haben bei unserem Fonds Perspektive OVID Equity die Kassequote auf bis zu 20 Prozent erhöht. Das ist für uns Rekord. Das meiste davon lief schon vor Corona, weil wir eine ganze Reihe von Bewertungen ambitioniert fanden.
Walter: Ergänzung aus der Praxis: Die Anleger merken gerade jetzt, ob sie bei einer Bank anrufen und erfahren, dass ihr Berater schon wieder weg ist, oder ob sie zu uns kommen. Bei uns kennen sie ihre Ansprechpartner schon seit vielen Jahren, und die persönliche Betreuung wird trotz zunehmender Digitalisierung sehr geschätzt.
Kieckebusch: Das kann ich bestätigen. Viele Banken haben ihre Beraterkapazitäten abgebaut und nicht daran gedacht, dass sie ihren Kunden Fonds verkauft hatten, zu denen die jetzt viele Fragen haben. Da ist dann keiner mehr. Also landen die Anleger jetzt bei uns.
Werner: Und was haben Sie in der beginnenden Corona-Krise aktiv gemanagt?
Kieckebusch: Wir haben die Liquidität hochgefahren, also nicht gleich wieder alles reinvestiert. Allerdings bezahlen die Kunden uns nicht fürs Kassehalten, sondern dafür, dass wir vernünftige Dividendentitel suchen.
Garske: Ende Januar dachten wir erstmals, Corona könnte der Schwarze Schwan werden. Als das Thema Ende Februar zu uns rüber schwappte, standen wir deshalb längst am Notausgang und hatten die Aktienquote im apano Global Systematik deutlich abgesenkt. Ab Anfang März senkten wir die Quote weiter Richtung 30 Prozent.
Huber: Bei unserem Fonds Pension.Invest Plus sind wir gut damit gefahren, sehr breit gestreut zu sein und je nach Bedarf gewichten zu können. Dynamische Fondsbestandteile haben wir bereits Ende Februar verkauft und parallel die Absicherung unseres Fonds erhöht. Aktuell sind wir mit hohem Cashanteil und rund 13 Prozent Gold defensiv positioniert.
Werner: Welche Produkte oder Investitionsansätze nehmen Sie sich für die nächsten sechs Monate vor?
Hinkel: Wir wollen durchdachte Produkte über unser Netzwerk, etwa im Biotechsektor, entwickeln lassen. Da können wir uns vorstellen, gute Geschäftsaussichten von Mittelständlern über börsennotierte Wandelanleihen mitzufinanzieren. Hierdurch bekommen Anleger ihre verzinslichen Investments am Ende mitvergoldet.
Hartmann: Unsere Linie bleibt Stockpicking im ESG-Bereich. Es muss alles zu den Nachhaltigkeitszielen der UN passen. Das heißt im Umkehrschluss zum Beispiel: keine Rohstofftitel und keine Banken.
Zabel: In ein gut strukturiertes Portfolio gehören auch im aktuellen Umfeld Anleihen und Aktien aus verschiedenen Branchen und Ländern. Unsere Aufgabe wird es sein, die Gewichtungen so zu verändern, dass die Anleger mit unserem Fonds TBF Global Income erfolgreich sind.
Garske: Wir wollen unsere Kunden ein bisschen stärker an aktienbasierte Strategien heranführen, warten damit aber, bis wir in Sachen Coronavirus Entwarnung bekommen.
Kieckebusch: Für die Anleger unseres Fonds ENRAK Wachstum + Dividende konzentrieren wir uns weiterhin auf die Themen IT, Medizintechnik und Infrastruktur.